Sonntag, 18. Mai 2014

Neverwinter Nights 2 - Original Campaign

Ladies and Gentlemen, vor kurzem habe ich den heißesten Kandidaten für mein "Game of the Year 2014" beendet - ja, das kann ich schon im Mai sagen. Die ursprüngliche Kampagne von "Neverwinter Nights 2" hat ja nicht unbedingt die besten Kritiken bekommen und vor allem Kenner von ähnlichen Spielen reihen sie bestenfalls im Mittelmaß ein. Ich hatte mit so etwas aber noch nie so wirklich zu tun und fand das Hauptspiel - gelinde gesagt - arschgeil.
Es beginnt zugegebenermaßen eher langsam, wenn man das Tutorial spielt kann man aber schon das Potential erkennen. Dort stirbt nämlich gleich mal ein Partymitglied bzw. die Kindheitsfreundin des Hauptcharakters, was einem schon so eine gewissen Vorgeschmack verleiht, was alles passieren kann. Tatsächlich ist man von solchen Events aber erst mal noch weit entfernt. Die Story ist also gerade am Anfang sicher nicht der Grund, warum man am Spiel dranbleibt. Das Gameplay allerdings noch weniger. Für jemanden, der mit dem Pen & Paper Prinzip von "Dungeons und Dragons" nicht vertraut ist, ist das Kampfsystem ein einziger, kryptischer Haufen. Also für Leute wie mich. Ich habe mich Anfangs für einen Druiden entschieden, weil die Beschreibung cool klang, hatte aber eigentlich keine Ahnung wie das ablaufen würde. Es gibt eine richtig große Auswahl an Klassen und Rassen, aber für Unwissende bringen einem die Beschreibungen von Vorteilen und Nachteilen erst mal nichts. War also quasi eine Entscheidung auf gut Glück bei mir, die sich aber dann als äußerst gut herausgestellt hat. ;) Das Kampfsystem ist also relativ komplex und bietet viele Details - für einen wirklich optimalen Spielverlauf muss man recht viel lesen und unglaublich viel manuell einstellen. Für Erfolg reicht es irgendwann nicht mehr, die Partymitglieder einfach von der KI steuern zu lassen, am besten setzt man sich mit deren Klassen auch auseinander und stellt von Bewegungsverhalten bis zu genauem Zaubergebrauch alles selbst ein (und spätestens im letzten Dungeon muss man die auch alle selbst steuern, damit man nicht verreckt). Bei mir war es so, dass ich im Laufe der Kampagne immer mehr selbst gemacht habe, was der angenehm ansteigende Schwierigkeitsgrad auch total unterstützt. Vor allem am Ende habe ich dann verblüfft zurückgeblickt, welch extreme Fortschritte ich in meinem Wissen um die Mechaniken gemacht habe.

Okay, das waren also die Dinge, die ich irgendwie kritisiere - ein Einstieg in das Spiel ist nicht so einfach und möglicherweise nicht motivierend genug. Es gab aber ein paar zentrale Sachen, die mich von Anfang an unglaublich begeistert haben und dazu beigetragen haben, mich in die richtig genialen Teile des Spiels vorzuarbeiten. Herzstück von NWN 2 sind auf jeden Fall die Begleiter, die sich dem Hauptcharakter anschließen, gemeinsam mit den Entscheidungen, die man in Dialogen treffen kann. Beides wirkt extrem aufeinander ein - jeder Satz, den man wählt, hat bestimmten Einfluss auf die Leute, die man gerade in der Party hat. Man kann sich damit beliebt oder unbeliebt machen, wird aber auf jeden Fall niemals alle zufrieden stellen (was dann am Ende auch tragende Folgen hat). Die Charaktere sind alle sehr unterschiedlich und haben auch untereinander verschiedenste Meinungen - so kommen der rechtschaffene Paladin und der egoistische Ranger nicht miteinander aus, während der prügelwütige Zwerg einem Elfen oder einem Tiefling gegenüber äußerst misstrauisch ist.
Die Gruppendynamik rettet einen also - sofern man sich dafür begeistern kann - durch die Geschichte, bis diese wirklich cool und auch überraschend abwechslungsreich wird. Während man erst von einem Punkt zum nächsten reist, um irgendwas über die mysteriösen Silbersplitter herauszufinden, entfaltet sich gegen Ende des ersten Aktes (es gibt insgesamt drei) das wahre Potential. Sobald man in der namengebenden Stadt Niewinter angekommen ist hat man eine Art Basis für sich selbst und die eingesammelten Partymitglieder und bereist von dort aus wichtige Orte - dies ist nur der Beginn von ein paar Besonderheiten, die im weiteren Verlauf eingebaut wurden. So wird man plötzlich des Massenmordes beschuldigt und muss Beweise für seine Unschuld suchen, kann die darauffolgende Gerichtsverhandlung mit Diplomatie und genug Schleimereien gewinnen (oder auch verlieren) und einen Zweikampf überstehen. Noch etwas später dringt man in den Rückzugsort des Antagonisten ein, der später zur eigenen Festung wird - dort kann man Dinge wiederaufbauen, NPCs als Händler oder Krieger anstellen und über eine eigene, kleine Armee verfügen. Das ist richtig cool!
Gerade die letzten beiden Akte der Kampagne bieten wirklich vieles, was mein Abenteurerherz höher schlagen hat lassen und ich habe da wirklich nur noch jede Minute genossen.

Als die Party noch in Eintracht war...
Aber kommen wir nochmal auf die Entscheidungen zurück. Während es sich jederzeit so anfühlt, als hätte man die komplette Geschichte in der Hand, ist der Verlauf der Dinge tatsächlich gar nicht so offen. Es gibt zum Beispiel nur eine Person für jedes Geschlecht, die man wirklich romancen kann, aber das Spiel gaukelt einem durch Eifersuchtsszenen und ähnliches vor, dass man eine größere Wahl hätte. Die oben angesprochene Gerichtsverhandlung kann man, wie gesagt, gewinnen oder verlieren, am Ausgang ändert das jedoch nichts. Es wird ein Duell geben und auch wenn man die Wahl hat, ob man selbst kämpft oder einen anderen Charakter steuern möchte, ist am Ende nicht besonders wichtig, was genau geschehen ist (so lange man das Gefecht gewonnen hat). Mir persönlich hat das alles aber nichts gemacht - wichtig war mir, dass ich jederzeit das Gefühl hatte, mich frei entscheiden zu können, und nicht, welche Optionen ich tatsächlich habe.
Außerdem gibt es dann auch ein paar Dinge, die dann wirklich je nach Wahl großen Einfluss auf das Spiel haben. So gab es eine Druidin namens Elanee in der Party, deren Schicksal sehr stark variiert, je nachdem was man mit ihr anstellt. Das Ansehen, das man bei Elanee hat, entscheidet an einem bestimmten Punkt im Spiel erst einmal darüber ob sie bei der Gruppe bleiben möchte oder nicht. Man kann sie da aber auch bei Erfolg einfach wegschicken und dann sogar entscheiden, sie zu töten. Hier liegt wirklich völlig in der Hand des Spielers, was man mit ihr machen will.
Auch das Ende bietet die Möglichkeit, einfach auf alles zu scheißen und sich dem bösen König der Schatten anzuschließen - zumindest wenn man im Spielverlauf schon eine eher böse Route verfolgt hat. Der Seitenwechsel hat aber auch alle logischen Konsequenzen und man muss bei so einer Entscheidung dann gegen die Partymitglieder kämpfen, die geschworen haben, das Böse aufzuhalten. Das ist eine Lektion, die man zum Abschluss des Spiels sowieso auf die ein oder andere Art gelernt haben wird: Jede Wahl hat ihre Folgen.

Um das etwas genauer zu schildern, erzähle ich jetzt einfach mal etwas aus meinem Spielverlauf. Ich habe mit einem neutralen Charakter gestartet, damit ich nicht von Anfang an schon eine bestimmte Route bevorzugen muss. Meine Halbelfin namens Sophia ist im Verlauf dann aber auf die gute Bahn abgerutscht und konnte am Ende gar nicht mehr mit dem König der Schatten kooperieren. ;)
Passend dazu hat sie auch mit dem Paladin Casavir angebandelt, der als rechtschaffener Charakter natürlich auch als Partner super geeignet war. Blöd war nur, als dann der Ranger Bishop ankam, der alles andere als gute Intentionen verfolgte, deshalb aber auch unglaublich faszinierend auf meine Sophia wirkte (jaja... Frauen halt. :D). Und er machte zumindest oft genug irgendwelche Andeutungen, dass er auch irgendwie Interesse haben könnte ("Lass uns zusammen fliehen!" ;__; ). Da die Vernunft in mir aber stärker war als das Verlangen, entschied meine Druidin sich schließlich für Casavir, was bittere Folgen hatte: Bishop betrog am Ende nicht nur die Gruppe, sondern entschied sich auch, gegen uns zu kämpfen, nachdem er Sophia und Casavir zusammen gesehen hatte. Eine seiner letzten Worte waren "Ich wäre für dich gestorben", und mir brach es das Herz - gestorben ist er dann nämlich durch meine/Sophias Hand, die ihn eigentlich liebte. ;__; Das war echt extrem dramatisch, vor allem weil das Liebesdreieck für mich eine unglaublich aufregende Sache gewesen ist. Dass sie so enden musste, war echt schlimm.
In Wahrheit kann man Bishop übrigens nicht wirklich romancen, zumindest nicht so wie Casavir, mit dem man eine Nacht verbringen kann (wie auf dem ersten Bild hier zu sehen). Aber wenn der Hauptcharakter den Paladin abweist und genug Einfluss beim Ranger gewinnen konnte, weigert der sich am Ende, gegen einen zu kämpfen. Rückblickend hätte ich also definitiv lieber Bishop gewählt, selbst wenn kein "richtiges" Pairing mit ihm entsteht. Aber dann hätte Sophia wenigstens nicht Casavir und sich selbst belogen und hätte den Waldläufer vor allem nicht töten müssen. Hach, das war alles so tragisch, ich bin jetzt noch nicht darüber hinweg.

Der treue Rest meiner Party
Neben Bishop wurde ich am Ende übrigens auch noch von zwei anderen Charakteren verraten, von denen ich niemals gedacht hätte, dass sie sich gegen mich wenden. Das war echt höchst schockierend! Dafür sind andere bei mir geblieben, bei denen ich erwartet hätte, dass sie mich bei der kleinsten Möglichkeit verlassen würden. Bei all diesen verzwickten Vorkomnissen kann man als Spieler eigentlich kaum anders, als richtig mitzufühlen - zumindest wenn man so etwas in der Art einfach absolut nicht erwartet. Das ganze Spiel lang waren die Partymitglieder für mich meine beste und größte Motivation, und dass dann gerade das zum Schluss so dramatisch in Szene gesetzt wird, hat der Kampagne einfach nochmal die Krone aufgesetzt.
Das Ending war dann allerdings etwas enttäuschend. Von den uninteressantesten NPCs wurde genau erklärt, was nach dem großen Kampf mit ihnen passiert ist, aber die Leute, die einem am Herzen lagen, wurden nicht erwähnt. In der Erweiterung "Mask of the Betrayer" werde ich dann allerdings als Sophia weiterspielen können und dann wohl auch erfahren, was mit dem Rest der alten Party passiert ist. Vielleicht kam Bishop ja doch davon? ;)
Auf jeden Fall hatte das magere Ende dann aber keinen wirklichen Einfluss mehr darauf, wie ich das Spiel allgemein fand - ich hatte mich irgendwann so sehr in NWN2 verliebt, dass nichts und niemand das ruinieren hätte können. Und als ich die Credits so ansah war auch gar nicht so wichtig, was zum Schluss ungesagt geblieben ist. Ich dachte zurück an die wundervollen Zeiten: Wie ich Frieden mit dem Echsenvolk erzielt, den König vor einem Attentat geschützt oder finstere Dämonen gegeneinander ausgespielt hatte. Oder wie wegen mir Khelgar zum Mönch werden konnte, eine treue Begleiterin sich für mein Wohl geopfert hatte oder ich vom Abschaum zum Ritter und schließlich zu einer der Neun von Niewinter geworden war. Ich könnte ewig so weiter machen - ich habe wirklich das Gefühl, in der Kampagne mehr erlebt zu haben, als ich fassen kann. Und jeder einzelne Moment davon war glorreich. Es muss schon so einiges geschehen, damit Neverwinter Nights 2 nicht mein Spiel des Jahres wird, weil ich wirklich alles daran liebe und das auch niemals vergessen werde.

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