Freitag, 2. März 2012

Syberia


Die Grundgeschichte von Syberia ist schnell erzählt: Kate Walker ist Anwältin einer bedeutsamen Kanzlei in New York. Ein Kunde dieser Kanzlei möchte eine alte "Automaten"-Fabrik aufkaufen, und Kate soll das Vertragliche regeln. Hierfür reist sie in das kleine Dörfchen Valadiléne, den Sitz des Betriebes, wo man erst einmal in ein Begräbnis platzt. Die Sargträger und viele der Trauergäste bestehen aus Automaten - eine Art Roboter, die für viele verschiedene Aufgaben konstruiert wurden.
Kate findet schnell heraus, dass Anna Voralberg, die Besitzerin der Fabrik, hier gerade beigesetzt wurde, und nun niemand mehr den Vertrag unterschreiben kann. Es gibt nur einen Verwandten, der nun rechtmäßig über die Automatenherstellung bestimmen kann - Hans Voralberg, der vor vielen Jahren verschwunden ist, um "Syberia" zu finden, einen mystischen Ort, an dem Mammuts leben sollen.

Kate hat nun die Aufgabe, Hans zu finden. Unter dem Druck ihres Chefs und dem Unverständnis ihrer Freunde, mit denen man regelmäßig in telefonischem Kontakt steht, versucht die junge Frau herauszufinden, wo der Erbe sich aufhält, und stürzt dabei in eine abenteuerliche Reise.
Hans hatte nämlich schon in jungen Jahren einen Zug konstruiert, den man regelmäßig wie eine Taschenuhr aufziehen muss, und der an ganz bestimmten Orten stehen bleibt, die im Leben von Hans eine große Rolle gespielt haben. Diese Reise war ursprünglich für seine Schwester Anna geplant, doch natürlich ist es nun Kate Walker, die sich auf den Weg macht.
Anfangs dient das alles wirklich nur dem Zweck, die Unterschrift für die Fabriksübergabe zu bekommen, doch nach und nach offenbart sich eine wundervolle Geschichte um Hans - man erfährt allerhand über seine Kindheit, die Beziehung zu seinem Vater und seiner Schwester, und schließlich über all seine Taten, die Leben verändert haben. Langsam aber sicher verändert sich dadurch auch Kate. Sie wird spontaner, denkt weniger an ihre Arbeit, und hat immer mehr Interesse, den Menschen Hans auch kennen zu lernen, statt bloß seinen Namen auf ein Blatt Papier gesetzt zu bekommen.

Die Entwicklung der Protagonistin ist ein wichtiger Aspekt im Spiel und sehr glaubhaft dargestellt.  Kate selbst realisiert nach und nach selbst ,wie sie sich verändert, aber erst ganz am Ende kommt dieser Prozess zu seinem Höhepunkt.
Für den Spieler ist jede Entscheidung, vor allem die schwerwiegende zum Schluss, absolut nachvollziehbar. So kann man sich sehr gut in die Protagonistin hineinversetzen, und hätte sich bestimmt keinen anderen Ausgang, als den gegebenen, für das Abenteuer gewunschen.
Alles in allem zieht einen die Geschichte in ihren Bann, ohne dass man es Anfangs selbst merkt, und möchte am Ende am liebsten selbst in einen Zug steigen, um nach Syberia zu suchen.
Gut, dass es einen zweiten Teil gibt. :)

Grundsätzlich gefällt mir alles an "Syberia". Die Schauplätze sind sehr authentisch und erzeugen immer genau die richtige Stimmung. An Atmosphäre mangelt es dem Spiel wahrlich nicht - schon nach kurzer Zeit hat einen die Melancholie eingefangen und lässt einen bis zum Ende nicht mehr los. Untermalt wird das Ganze durch äußerst passende Musik, die an unwichtigen Stellen unauffällig, und an wichtigen Stellen sehr stimmungsvoll ist.
Auch die Rätsel sind sehr eingängig, ich bin meist an Stellen nicht weiter gekommen, wenn ich einen Durchgang übersehen hatte, alles andere erschien immer logisch und konnte durch ein wenig Grübeln gelöst werden.
Ein wenig unübersichtlich war dabei allerdings der Papierkram, den man im Laufe des Abenteuers ansammelt. Man nimmt alle möglichen Dokumente mit, und auch wenn in allen etwas Wichtiges steht, muss man sich da erst einmal durchlesen. Ich hatte oft auch die Sorge, etwas Wichtiges zu ungenau gelesen zu haben, weil es 7 Seiten eines Buches gab, man im Endeffekt aber nur eine davon gebraucht hat. Ansonsten hat man allerdings immer nur wenig Items im Inventar, die recht schnell zum Einsatz kommen, und meist ziemlich eindeutig anwendbar sind.

Was mich mit Abstand am meisten an dem Spiel stört, sind die Treppen. Ja, die Treppen.
Kate kann überall laufen, und das ist bei den oft etwas längeren Laufwegen auch goldwert. Aber wehe es kommt eine Treppe. Diese steigt sie ausnahmslos im lahmsten Schneckentempo hoch oder runter. Man hätte auch einfach abblenden können und zur nächsten Karte wechseln, aber nein, erst muss Kate 20 Sekunden lang die Stufen erklimmen, bevor man zum nächsten Screen kommt. Selbst in einer Szene, in der sie fliehen muss, rennt die Protagonistin davon, lässt sich aber seelenruhig Zeit für die Treppen. Das war tatsächlich ein wenig nervig, aber im Endeffekt natürlich trotzdem verschmerzbar. Ein kleiner Minuspunkt für ein ansonsten großartiges Spiel.

TL;DR (too long, didn't read): Ich mag Point'n'Click Adventures allgemein, aber am liebsten die, die einen ein bisschen verzaubern und in eine Geschichte einsaugen. Auf Syberia trifft dies auf jeden Fall zu, weshalb es bei mir in der Liste der Adventures sehr weit oben rangiert. Die Grafik, die Musik und die Rätsel unterstützen und umrahmen die Story sehr passend, und das Spiel erweckt einfach einen runden Gesamteindruck.

Ich würde "Syberia" auf jeden Fall jedem Adventure-Liebhaber ans Herz legen. Man merkt dem Spiel das Alter von zehn Jahren kaum an, und im Gegensatz zu neueren Adventures kann es auch mit einer recht ordentlichen Spielzeit aufwarten.
Inzwischen ist es, gemeinsam mit dem zweiten Teil, in vielen Collections für den PC zu einem sehr guten Preis erhältlich. Es gibt aber auch leicht erschwingliche Versionen für den DS, die XBox und die Playstation 2.

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